Hybrides Projektmanagement – Die Antwort auf die steigende Komplexität in Projekten

Hybrides Projektmanagement – Die Antwort auf die steigende Komplexität in Projekten

Warum wir unser Projektmanagement neu denken müsse

Die Welt um uns herum verändert sich rasant. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich immer schneller an neue Marktgegebenheiten, technologische Fortschritte und regulatorische Anforderungen anzupassen. Klassische Projektmanagement-Ansätze, die auf langfristiger Planung und Vorhersagbarkeit basieren, stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Gleichzeitig ist ein rein agiler Ansatz nicht in jedem Umfeld praktikabel, insbesondere wenn feste Budgets, regulatorische Vorgaben oder klar definierte Meilensteine eingehalten werden müssen.

Diese Entwicklungen führen dazu, dass sich das Projektmanagement anpassen muss. Statt an alten Strukturen festzuhalten oder sich blind in neue Methoden zu stürzen, ist ein differenzierter, maßgeschneiderter Ansatz gefragt. Hybrides Projektmanagement kombiniert die Stärken klassischer und agiler Methoden und schafft so ein flexibles, aber dennoch strukturiertes Vorgehen.

Unternehmen, die weiterhin an starren Methoden festhalten, riskieren nicht nur ineffiziente Prozesse, sondern auch das Scheitern kritischer Projekte. Erfolgreiche Organisationen setzen heute auf eine projektindividuelle Methodenkombination, um sich optimal auf die Herausforderungen der Zukunft einzustellen.

Die neue Realität: Komplexität als treibender Faktor

Projekte werden zunehmend komplexer. Die steigende Vernetzung, sich schnell ändernde Kundenanforderungen und globale Unsicherheiten sorgen dafür, dass Planungssicherheit immer seltener wird. Das bedeutet: Projektmanagement muss nicht nur Methoden bereitstellen, sondern auch den Umgang mit Unsicherheiten und Veränderungen ermöglichen.

Um diese Dynamik zu bewältigen, gibt es verschiedene Modelle, die Unternehmen helfen, den Grad der Komplexität eines Projekts einzuschätzen und das passende Vorgehen auszuwählen. Dazu gehören unter anderem:

  • Die Stacey-Matrix, die anhand von Klarheit der Anforderungen und Technologieeinschätzung unterscheidet, ob ein Projekt klassisch, agil oder hybrid geführt werden sollte.
  • Das Cynefin-Framework, das komplexe Situationen einordnet und hilft, den geeigneten Managementstil zu bestimmen.
  • Das Diamantmodell nach Shenhar und Dvir, das die Dimensionen Technik, Innovation, Tempo und Systemkomplexität einbezieht.

Was alle Modelle gemeinsam haben: Sie zeigen, dass es keine One-Size-Fits-All-Lösung gibt. Je nach Projekttyp ist ein anderer methodischer Ansatz sinnvoll. Ein Projekt, das sich in einem stabilen Umfeld bewegt, kann planbasiert durchgeführt werden. Ein hochgradig innovatives oder sich dynamisch entwickelndes Projekt benötigt jedoch agile Elemente, um anpassungsfähig zu bleiben.

Hybrides Projektmanagement: Das Beste aus beiden Welten

Viele Unternehmen stehen vor der Frage: Klassisches oder agiles Projektmanagement? Die Antwort lautet immer häufiger: Beides. Ein hybrider Ansatz kombiniert die Vorteile klassischer Planung mit der Flexibilität agiler Methoden und sorgt so für ein maßgeschneidertes Projektdesign.

Warum nicht nur klassisch?

Klassisches Projektmanagement mit festen Phasen und detaillierten Plänen bietet Sicherheit und ist für Projekte mit stabilen Anforderungen ideal. Doch in dynamischen Umfeldern kann ein starrer Plan zum Hindernis werden.

Warum nicht nur agil?

Agiles Projektmanagement funktioniert hervorragend, wenn Anforderungen unsicher sind und schnelle Anpassungen erforderlich sind. Doch in regulierten Umfeldern oder wenn langfristige Planungen notwendig sind, stößt Agilität an ihre Grenzen.

Die Lösung: Hybrides Projektmanagement. Es nutzt klassische Ansätze für langfristige Planung, Budgetierung und Risikomanagement, während agile Methoden die operative Flexibilität sicherstellen. Ein Beispiel ist die Kombination aus einem klassischen Meilensteinplan mit agilen Sprints zur iterativen Entwicklung.

Hybrides Projektmanagement: Warum die Kombination überlegen ist

Planungssicherheit und Flexibilität vereinen
Ein hybrider Ansatz ermöglicht es, strategische Projektziele klar zu definieren und gleichzeitig flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Während langfristige Ziele über ein klassisches Phasenmodell gesteuert werden, erlaubt ein agiles Vorgehen, kurzfristige Anpassungen vorzunehmen.

Effizientes Ressourcenmanagement
In vielen Unternehmen gibt es eine Mischung aus festen Ressourcen (z. B. Infrastruktur, regulatorische Vorgaben) und variablen Elementen (z. B. sich ändernde Anforderungen oder Marktbedingungen). Ein hybrides Modell hilft, beide Aspekte effizient zu managen.

Gesteigerte Akzeptanz bei Stakeholdern
Nicht alle Beteiligten in einem Projektumfeld sind mit agilen Methoden vertraut oder möchten ihre Prozesse komplett umstellen. Ein hybrider Ansatz erleichtert die Einführung agiler Prinzipien, ohne klassische Elemente über Bord zu werfen.

Minimierung von Risiken
Durch die Kombination klassischer Risikoanalyse mit agilen Feedbackzyklen lassen sich Probleme frühzeitig erkennen und Lösungen schneller umsetzen. Die Mischung aus vorausschauender Planung und iterativen Anpassungen reduziert das Risiko von Fehlentscheidungen.

Hybrides Projektmanagement als Königsdisziplin

Machen wir uns nichts vor: hybrides Projektmanagement ist die Königsdisziplin. Es erfordert nicht nur profunde Kenntnisse im klassischen, sondern auch im agilen Projektmanagement, um Projekte zum Erfolg führen zu können. Nicht jeder Projektleitende kann diese Anforderungen erfüllen. Damit kommen PMOs und Unternehmen in die Verantwortung für ihre spezifischen Projekte hybride Standards zu entwickeln, welche den Projektleitenden eine Richtschnur zu Verfügung stellt, an der sie sich orientieren können.

Die Herausforderung für Projektleiter:innen und PMOs

Die Einführung hybrider Methoden erfordert eine neue Denkweise im Projektmanagement. Projektleiter:innen und Projektmanagement-Offices (PMOs) müssen sich sowohl mit klassischen als auch mit agilen Methoden auskennen und diese gezielt kombinieren.

  • Kompetenzerweiterung: Führungskräfte müssen ein tiefes Verständnis beider Welten haben, um im richtigen Moment den passenden Ansatz zu wählen oder einen flexiblen Standard zu Verfügung zu stellen. Das bezieht die Projektauftraggeber mit ein, die den Unterschied zwischen einer klassischen und einer agilen Projektbeauftragung kennen müssen.
  • Change-Management: Die Transformation von reinen klassischen oder agilen Modellen hin zu hybriden Ansätzen erfordert gezielte Change-Management-Maßnahmen.
  • Kulturwandel: Unternehmen müssen lernen, Silodenken aufzubrechen und einen offenen, flexiblen Umgang mit Methodenkombinationen zu fördern. Die Zeit der Königreiche, in denen nur agil oder klassisch gedacht werden darf ist vorbei!

Projektmanagement ist nicht nur eine Frage der Methodik – es ist eine Frage der Haltung. Hybrides Projektmanagement setzt voraus, dass Unternehmen bereit sind, Prozesse stetig zu hinterfragen und anzupassen.

Alleinstellungsmerkmal der ICB 4.0: Projektdesign als Schlüsselkompetenz

Die ICB 4.0 (Individual Competence Baseline) ist der einzige internationale Standard, der eine umfassende Kompetenz für Projektdesign vermittelt. Während viele Projektmanagement Frameworks nur Methoden bereitstellen, geht die ICB 4.0 einen Schritt weiter: Sie zeigt auf, wie das richtige Projektdesign für die jeweilige Situation entwickelt wird.

Das Kompetenzelement 4.5.1 „Projektdesign“ hebt sich von anderen Standards ab, indem es eine systematische Herangehensweise an die Auswahl und Kombination von Methoden bietet.
Projektmanager:innen lernen, welche Faktoren über den Erfolg eines Projekts entscheiden und wie diese in der Gestaltung eines hybriden Vorgehensmodells berücksichtigt werden können.

Warum ist das relevant?
Unternehmen erhalten eine wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Anleitung zur Gestaltung ihrer Projekte. Die Ausbildung nach ICB 4.0 bereitet Projektleiter:innen gezielt auf hybride Umgebungen vor. Die Kombination aus Strategie, Technik und sozialen Kompetenzen ermöglicht eine nachhaltige Projektgestaltung.

Ausblick in die Zukunft für die Ausbildung von Projektmanagern

Projektmanagement abseits von der Stange – das ist die Zukunft. Die Ausbildung von
Projektmanager:innen muss sich darauf fokussieren, individuelle Lösungen für spezifische Unternehmensanforderungen zu entwickeln.
Statt sich nur auf klassische oder agile Methoden zu konzentrieren, sollte die Ausbildung folgende Schwerpunkte setzen:

  • Systemdenken: Projekte nicht isoliert betrachten, sondern in Wechselwirkungen mit Unternehmensstrategie, Markt und Stakeholdern.
  • Adaptive Methodenkompetenz: Die Fähigkeit, je nach Projektsituation klassische oder agile Methoden gezielt anzupassen.
  • Change- und Führungskompetenz: Transformationen aktiv begleiten und hybride Teams erfolgreich steuern.

Die Zukunft des Projektmanagements liegt nicht in einer einzigen Methodik, sondern in der intelligenten Kombination unterschiedlicher Ansätze. Unternehmen, die diese Kompetenz frühzeitig entwickeln, werden langfristig erfolgreicher sein. Hybrides Projektmanagement ist nicht die Zukunft – es ist die Gegenwart.

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Dr. Karen Dittmann, Februar 2025

Literatur International Project Management Association (IPMA) (2016): Individual Competence Baseline (ICB) 4.0 – Deutsche Fassung. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
→ Quelle für das Kompetenzelement 4.5.1 „Projektdesign“ und die Kompetenzanforderungen an hybrides Projektmanagement.

Dittmann, K. & Dirbanis, K. (2024): Projektmanagement Lehrbuch Level D – Grundlagen für die IPMA
Zertifizierung. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
→ Quelle für die grundlegenden Konzepte des hybriden Projektmanagements sowie die Ausbildung und Zertifizierung von Projektmanager:innen auf Level D.

Dittmann, K & Zaeri Esfahani, M (2024): Hybrides Projektdesign – Modernes Projektmanagement abseits von Königreichen.
→ Quelle für die methodische Einordnung hybrider Ansätze, Systemdenken und die praktische Anwendung von hybriden Methoden im Projektmanagement.

Schoper, Y., Viehbacher, A., et al. (2017): IPMA ICB 4.0 – Internationale Kompetenzstandards für Projektmanagement.
→ Quelle für die Bedeutung von hybriden Methoden im internationalen Kontext sowie die strategische Relevanz von Projektdesign für Unternehmen.

Gallup Inc. (2023): Engagement Index Deutschland 2023.
→ Quelle für die Notwendigkeit eines veränderten Projektmanagements angesichts steigender Komplexität und Dynamik in Unternehmen.

Hier findest du den Artikel im Jubiläumsband auf Englisch:
https://betterproject.training/wp-content/uploads/2025/11/building-bridges-worldwide-60-years-of-ipma-dr.-karen-dittmann-hybrid-project-management.pdf

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